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Alles Leben ist Problemlösen

Mit diesem Satz interpretiert der kritische Rationalist Karl Popper die biologische Evolutionstheorie. Zu den Grundprinzipien des Lebens zählen Metabolismus, Selbstreproduktion und Mutabilität. Wie Manfred Eigen bereits in Bioreaktoren experimentell nachweisen konnte, haben diese Lebensprinzipien das erstmals von Charles Darwin untersuchte Selektionsprinzip zur Folge. D.h. die Vielfalt der Lebensvorgänge folgt allein aus den energetischen Wechselwirkungen. Die Annahme einer ,,Lebenskraft`` (Vitalismus) ist ebenso überflüssig wie die Vorstellung von Leben als ,,emergent`` nach dem Motto: das Ganze sei mehr als seine Teile.

Die Lebensprinzipien sind bereits der unbelebten Natur eigen, warum sie also nicht auf die Gesellschaft übertragen? Nach Popper ist das Leben ein fortwährendes Problemlösen, etwa zur Sicherung des Nachwuchses, zur Erschließung neuer Lebensräume oder zum Überstehen von Naturkatastrophen. Auch die in Gesellschaften lebenden Menschen haben nach wie vor die Grundprobleme der Nahrung und Paarung, der Kleidung und Wohnung zu meistern. Neben den Energieregulationen in Natur und Technik sowie den Regungen des Nahrungs- und Paarungstriebes bildet meistens die Kommunikation den Rahmen ihrer Problemlösungen. Die Menschen fallen nicht mehr übereinander her, sondern reden miteinander. Philosophen orientieren sich dabei an dem Imperativ des Sokrates, d.h. sie folgen dem Logos, der sich ihnen in der Untersuchung als der beste erweist. Der Popper-Schüler Hans Joachim Niemann hat den kritisch-rationalen Imperativ in seiner Strategie der Vernunft wie folgt formuliert: ,,Finde heraus, worin genau dein Problem besteht, und suche unparteiisch nach der bestmöglichen Lösung.`` Die optimale Lösung wird dabei nach dem Prinzip der kritischen Prüfung von Alternativen gesucht. Die Energieoptimierungen in der unbelebten Natur und die Selektion der bestangepaßten Lebewesen finden ihre Fortsetzung in der Strategie der Vernunft.


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Ingo Tessmann
1/31/2000