,,Willkommen Zum Schwarzen Ferkel'',

tönte wie von fern eine heitere Männerstimme durch den Schummer. Schemenhaft machten sie im trüben Licht einen großen Holztisch aus. Um ihn herum hatten vielerlei Gestalten Platz. Vertieft in verhaltener Unterhaltung, erregt in hitzigem Disput, dem Wein zugetan, in inniger Umarmung vereint. Das freundliche Lächeln Damiels trat in Sofies Blickfeld. Sie wandte sich um. Dicht neben ihr gewarte sie Hilde auf dem Schoß Cassiels. Langsam gewöhnten sich ihre Sinne an die Atmosphäre. Offensichtlich befand sie sich in einer Künstlerkneipe. Aber gegenüber konnten sich doch nicht wirklich Edvard Munch und August Strindberg unterhalten. Ihre Verwunderung wurde grenzenlos. Damiel nickte sanft und flüsterte ihr weitere Namen ins Ohr: Gustav, Inga, Ducha, Stachu, Orlando , Hermann und unser armer Harry, der eigentlich nichts weiter ist als ein zart ausgebildeter Spezialist für Dichtung, Musik und Philosophie - den ganzen Rest seiner Person, das ganze übrige Chaos von Fähigkeiten, Trieben, Strebungen hat er als lästig empfunden und mit dem Namen Steppenwolf belegt. Beunruhigt schaute Sofie erst Harry, dann Hermann an. Es schien ihr, als habe sie zwei Seiten einer Person vor Augen, eine männliche, eine weibliche...

Damiel spürte ihre Verwirrung: ,, Hermann ist natürlich Hermine; aber was macht das schon.``

,,Die Auflösung der Persönlichkeit in der unio mystica der Freude``, rief Harry aus und hob das Glas.

Der Geschlechtstrieb ist großartig, erhaben. Er ist mißbräuchlich im Dunkeln gehalten worden. Was ihn in den Augen der Alten so verwerflich gemacht hat, ist, daß nichts so beschmutzt und verleumdet worden ist ... Ich denke, er ist ein großes Gesetz der Natur.

Man sollte keine Interieurs mehr malen, keine Leute, die lesen, keine Frauen, die stricken. Es sollten lebendige Menschen sein, die atmen und fühlen, leiden und lieben.

Unterdessen waren die romantischen Chopin-Klänge verstummt. Hitzige Zigeunermusik rief zum Tanz.

Was ist der Mensch? Ich weiß nicht, was ich bin. Ich glaube, jeder Mensch besteht aus vielen Menschen. Ich ... glaube ... der Mensch ist wie ein ... Prisma? Ich möchte malen wie Du! Oder Wissenschaftler sein. Nicht schreiben! Ich habe das Gefühl, als befände ich mich außerhalb von etwas in mir selbst, in das ich hinein muß! Wie eine Reise! ...

Sofie fühlte sich angehoben und zum Tanz getragen. Verzaubert lag sie in den Armen Hermines. Hilde sann den Gesprächsfetzen nach, als eine Hand sie ergriff und mit sich zog. Es war Harry, dem sie folgte. Durch das Menschengewirr hindurch strebte er geradewegs auf eine Treppe zu. Sie trippelten hinab und durchflogen einen langen Flur. An seinem Ende blinkten Leuchtschriften ...